Teil 2: „Die Diagnose bekamen wir zehn Tage nach Samuels Geburt. In der Zwischenzeit waren zum Herzfehler und der Gehirnfehlentwicklung mehr Fehlbildungen bekannt geworden, z.B. die Hüftfehlstellung.
Die (meisten) Ärzte und Schwestern waren sehr fürsorglich und doch schien mir alles sagen zu wollen, dass mein Kind falsch war. Aber nichts davon hielt mich davon ab, ihm mein ganzes Herz zu schenken und mich darauf zu freuen, ihn bald nach Hause zu holen.
Das sollte jedoch nie passieren. Kinder mit Trisomie 18 haben eine geringe Lebenserwartung und so mussten wir uns darauf einstellen, uns bald wieder von Samuel zu verabschieden. Doch mit jedem Tag wuchs meine Liebe zu ihm und damit auch mein Wunsch, dass er lange bei uns bleiben würde.
Unser kleiner Junge liebte es, auf unserem Bauch zu schlafen. Er lag lieber auf der linken als auf der rechten Seite. Er machte deutlich, was er mochte und was nicht. Ich konnte ihn stundenlang beobachten und halten.
Der Abschiedsschmerz am Abend war groß, ebenso die Hoffnung, dass er bald nach Hause kommen würde. Wir versuchten, jeden Moment, den wir mit ihm hatten, einzuatmen und dann die Luft anzuhalten, um nichts davon zu verlieren.
Doch die Zeit verging. Viel zu schnell. Jeden Tag haben wir gezählt. Die meisten davon intensiv genossen, häufig auch geweint und geklagt. Wir sind zusammengewachsen, sein Papa, seine beiden Geschwister, er und ich.
Doch an Tag 54 ist Samuel in den Himmel geflogen und ließ uns ohnmächtig und verloren zurück. Dieser kleine Mensch, der nie etwas geleistet hat, nichts geben, sondern nur nehmen konnte, er hat uns so viel gelehrt. Allein seine Existenz reichte, um unsere Prioritäten gerade zu rücken, unseren Glauben reifen zu lassen und unsere Liebe zu einander und zu jedem anderen Menschen zu vertiefen.
Ihn zu lieben hat mich verletzlicher und stärker gemacht. Wir vermissen ihn jeden Tag. Besonders an seinem Geburtstag. Aber den feiern wir jedes Jahr. Wir lachen und weinen. Wir sind dankbar, dass er 54 Tage bei uns war und immer ein Teil von uns bleiben wird.“ #vielzukurzunddochfürimmer
Regina Neufeld hat das Buch „Viel zu kurz und doch für immer“ geschrieben und bloggt auf https://beschenkt.com/.
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