Voderholzer: Kritik am „Marsch für das Leben“ ist Ablenkungsmanöver
Immer wieder gibt es Kritik am „Marsch für das Leben“. Er wird jedes Jahr vom Bundesverband Lebensrecht (BVL) in Berlin veranstaltet, seit 2023 auch zusätzlich in Köln. Jetzt hat die Katholische junge Gemeinde (KjG) die katholischen Bischöfe aufgefordert, nicht mehr beim Marsch für das Leben mitzugehen. Die Bewegung werde, so die KjG, „regelmäßig von rechtsradikalen Akteur*innen unterstützt und organisiert“. Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer, der selbst regelmäßig am Marsch für das Leben (MfdL) teilnimmt, bezeichnet die Kritik als ein „Ablenkungsmanöver“. IDEA dokumentiert seine Reaktion. Sie ist zuerst auf der Webseite des Bistums Regensburg erschienen.
Das Framing, das von den Gegnern des Lebensschutzes betrieben wird und die Grundlage für die Forderung der KjG darstellt, ist eine sehr durchsichtige Methode, der eigentlichen Problematik auszuweichen. Bei jeder Abtreibung stirbt nicht ein „Etwas“, wird nicht ein verzichtbarer Körperteil der Mutter beseitigt, sondern ein Subjekt, ein „Jemand“ mit eigener DNA und sehr früh eigenem Herzen. Ein unbefangener Blick lässt erkennen: Wir beginnen, als Gesellschaft die schwächsten und hilflosesten im Stich zu lassen. Michael Prüller (Wien) spricht von einer „Entsolidarisierung“ am schwächsten Ende, und zwar von Müttern und Kindern.
Der Marsch für das Leben (MfdL) ist die einzige öffentlichkeitswirksame Veranstaltung, in der ungeborenen Menschen, ebenso wie behinderten und sterbenden Menschen eine Stimme gegeben wird. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gehen auf die Straße, um für ein Recht auf Leben und die Achtung der Menschenwürde aller Menschen, besonders der bedrohten, einzutreten und zugleich Mut zu machen zur Annahme des Lebens. Zudem ist der MfdL eine Großveranstaltung, die u. a. gemeinsam von evangelischen und katholischen Christen getragen und unterstützt wird und die in hohem Maße den ökumenischen Geist stärkt.
Weder als Staatsbürger noch – und viel weniger – als Katholik will ich tatenlos zusehen, wie jährlich ca. 100.000 ungeborene Menschen ihrer Freiheit und Zukunft beraubt werden; Menschen, die, wenn sie die Chance dazu bekämen, einen echten Unterschied im Leben vieler weiterer Menschen machen könnten. Ich kann nicht verstehen, wie man einerseits für Umwelt-, Arten- und Minderheitenschutz eintreten kann und andererseits scheinbar tatenlos bei massenhafter Abtreibung und beispielsweise auch bei der Entsorgung befruchteter Eizellen in Kinderwunschzentren oder Krankenhauslaboren zusieht.
Wir brauchen gesamtgesellschaftlich einen Wandel hin zu einer Willkommenskultur für alle Menschen. Seit den Anfängen der Kirche waren die Christen Vorreiter bei diesem Wandel hin zu einer humanen Gesellschaft. Ich erhebe meine Stimme gegen eine Tendenz der Enthumanisierung und Entsolidarisierung und weiß mich getragen von der Glaubensüberzeugung, dass „Gott den Menschen in seiner Würde wunderbar erschaffen und noch wunderbarer wiederhergestellt hat“ (Weihnachtsoration). Eine pauschale Verunglimpfung Tausender, vor allem auch junger Teilnehmerinnen und Teilnehmer am MfdL, ist hier nicht förderlich. Wer uns daran hindern will, von unserem staatsbürgerlichen Recht Gebrauch zu machen, ja unserer Pflicht zum Einsatz für das vom Grundgesetz geschützte Leben nachzukommen, ist demokratiefeindlich und trägt zu einer Polarisierung der Gesellschaft bei. Ich weise die Kritik der Bundesversammlung der KjG entschieden zurück. Die Termine für die nächsten MfdL sind in meinem Kalender bereits blockiert. Jeder einzelne Mensch, ob geboren oder ungeboren, so unsere Glaubensüberzeugung, ist von Gott gewollt und geliebt. Ist das kein guter Grund für eine Demonstration für das Leben? Ich lade alle Menschen guten Willens ein, sich künftig daran zu beteiligen.